Silverrudder 2019: Endlich auch dabei

Die Silverrudder reizt mich schon seit Jahren. Bisher klappte es allerdings zeitlich nicht. Doch in diesem Jahr war es endlich soweit. Auch, weil die Anmeldung erstmals nicht bereits ein Jahr vorher stattfand sondern erst im März.

Auf ging es also nach Fünen. Neben mir fanden den Weg nach Svendborg von den 450 gemeldeten Einhandpiloten bis zum 20. September schließlich etwa 330 Boote. Die Tage davor gab es auf der Ostsee bis zu 35kn Wind und kräftig Welle, weshalb zahlreiche Boote die Anreise nicht antraten.

Ein Erlebnis sind schon die Tage vor der Regatta in Svendborg. Hunderte von Einhandsegler mit großer Vorfreude ausgestattet sorgen für eine tolle Atmosphäre und kurzweilige Gespräche bei wechselnden Getränken. Fantastisch ist auch die „Bootsschau“: Der besondere Reiz der Silverrudder sind auch die unglaublich vielen und unterschiedlichen Boote. Vom Klassiker über den Fahrtendampfer und den Performance-Cruiser, bis zur Class 40 Rennyacht. Vom 18 Fuß Boot bis zum 55 Fuß X-Yacht. Vom Folkeboot, Minitransat, Unmengen an Seascapes, eine mit Foils ausgestattete Flaar 26 über Hanse, Bavaria und Comfortina bis zu Class 40, One Off und Dragonfly. Wie der Veranstalter sagt „Kein Segelevent auf der Welt bringt so viele unterschiedliche Boote zusammen.“

Die Vielfalt zeigt sich auch bei den Ambitionen der Teilnehmer. Vom Skipper, der Angst vor dem Zeitlimit von 50 Stunden hat und die Herausforderung sucht, bis zu zum Halbprofi, der nur auf der Verbesserung des Rekords schaut und das „Silverrudder“ erobern möchte. Unterschiedlich waren auch die Vorbereitungen. Während ich im Vorfeld nur Außenborder, Dingi und ein paar weitere schwere Gegenstände von Bord genommen hatte, wurde bei anderen noch vor der Regatta alles bis zur Matratze entfernt. Manche demontierten bei ihren Booten die gesamte Einrichtung und bunkerten dafür Sandsäcke oder entwickelten sogar Schlitten, um das Gewicht unter Deck immer nach luv zu verlegen.

Dann ging es am Freitag endlich los! Ich startete am Freitag um 12:30 Uhr mit meiner Hanse 400 in der Klasse „Keelboat Large“ mit 63 anderen Booten. Mein Ziel: Ankommen und dieses fucking „Finisher-Shirt“ erhalten. Und bei der Wettervorhersage war ich mir auch ziemlich sicher, die 135 Meilen rund Fünen zu schaffen. Denn für die Regatta am Freitag und Samstag waren 10-15kn Wind aus WNW, später West vorhergesagt. Dabei trocken, Sonne und in der Nacht Dreiviertelmond bei wechselhafter Bewölkung. Und alles bei angenehmen Temperaturen.
Der Start verlief dann eigentlich auch ganz gut. Um die „Platzierungsjäger“ zu vermeiden, hatte ich mich entschlossen, den Start eher aus der hinteren Hälfte anzuschauen. Auch, weil Kurs und Wind zu Beginn gut für Genua oder Code Zero waren. Beides Segel, die ich nicht habe und daher mit meiner SW-Fock eher davon ausging, zum langsameren Teil des Feldes zu gehören. Die Regatta wurde gegen den Uhrzeigersinn rund um Fünen gefahren. Also in Svendborg erst einmal das schmale Fahrwasser nach Osten und Süden. Nach dem ersten Abschnitt bei Thurø lag ich mit Platz 36 gut im Rennen und hatte nach dem Start ein paar Boote überholt. Dann ging es östlich von Fünen nach NO in Richtung Große-Belt Brücke. Perfekter Gennaker-Kurs. Und hier dann mein erstes Missgeschick. Beim Setzen stellte ich fest, dass ich die bereits im Hafen angeschlagene Gennakerschot um den Gennaker gewickelt hatte. Kein Problem, doch in etwas Hektik löste ich die Halsleine und nicht die Schot. Diese rauschte natürlich sofort aus und der Gennaker wickelte sich ganz entspannt um das Vorstag. Blöd. Nach etwa 20 Minuten hatte ich den ganzen Knäul wieder gelöst und endlich den Gennaker gesetzt. Nur bin ich dadurch bis ans Ende des Feldes gefallen. Egal. Mit Gennaker lief es dann sehr gut. Bei 7,5 bis 8,5 kn Fahrt holte ich langsam wieder auf und bis zur Brücke lag ich schon wieder auf Platz 44. Allerdings war mir klar, dass ich wieder Plätze verlieren werde, da der Großteil des Feldes die Brücke weiter westlich passieren kann, wohingegen ich aufgrund der Masthöhe den etwa 3sm längeren, äußeren Weg nehmen musste. Doch das sollte mich nicht wieder nach hinten werfen, sondern mein zweiter Fehler. Kurz vor der Brücke sah ich, wie bei einem Boot direkt vor mir durch eine Böe der Gennaker zerriss. Und bevor ich reagieren konnte, erfasste mich die Böe auch. Der Schäkel an der Schot brach (Notiz an mich selbst: Nächsten Schäkel eine Nummer größer kaufen) und zudem rauschte die Halsleine raus (warum auch immer). In Konsequenz wehte der Gennaker nur noch am Fall befestigt oben am Mast. So dachte ich jedenfalls. Nächster Fehler. Um wieder möglichst wenig Zeit zu verlieren, entschloss ich mich nach wenigen Sekunden, das Fall zu lösen, um den Gennaker ins Wasser fallen zu lassen und wieder einzusammeln. Blöd nur, dass der Gennaker mit der Halsleine noch am Bug des Schiffes festhing, was ich nicht bemerkte. Damit hatte ich dann quasi einen über 100qm riesigen Treibanker im Wasser, den ich einige Meter hinter mir herzog… Mehr als 30 Minuten vergingen, bis ich wieder alles an Bord hatte und mit meinem geschundenen Körper wieder unterwegs war. Und endgültig am Ende des Feldes angekommen mit gutem Rückstand zum Feld L

Jetzt hieß es, mit cleverer Taktik zurück ans Feld kämpfen. Der Blick in die Wetterapp verriet mir, dass der Wind sehr bald von NW auf West drehen sollte. Da mein Boot beim Höhelaufen schnell an Geschwindigkeit verliert bin ich nach der Brückendurchfahrt einfach etwas östlicher als das Feld mit 45 Grad zum Wind gefahren, um dies mit dem Winddreher wieder auszugleichen. Nächster Fehler. Denn der Wind ändert sich zwar, aber nicht in der Richtung, sondern nur in der Stärke. Entgegen des Wetterbriefings vom Vorabend gab es im Nordosten von Fünen keine 15kn sondern bis zu 25kn Wind. Das brachte dann noch eine steile Welle mit sich, in der ich mich „festbiss“. Entsprechend holte ich zähneknirschend bis zur Nordspitze nichts auf, eher im Gegenteil.

Der Norden von Fünen musste dann hoch am Wind gekreuzt werden und dauerte fast die gesamte Nacht. Bei leicht abnehmendem Wind, weniger Welle und zwischendurch Mondschein eine tolle Fahrt. Zumal ich zu den ersten Booten wieder aufschloss und an der Kreuz auch überholen konnte. Im Feld zu fahren macht einfach mehr Spaß. Überraschungen gab es nur noch, wenn manche Boote versuchten das Klima zu retten und komplett unbeleuchtet auftauchten oder andere die Vorfahrtsregeln ignorierten. Bis zur Einfahrt in den kleinen Belt bei Strib lag ich immerhin schon wieder auf Platz 56. Allerdings mit großem Rückstand auf die weiteren Plätze.

Doch ab jetzt sollte das Glück auf meiner Seite sein. Bei der Fahrt durch den Sund wollte ich bei 1-2 Knoten Gegenstrom eigentlich den Neerstrom ausnutzen, wie alle anderen auch. Das gelang mir bei der ersten Middelfahrt-Brücke sehr gut. Bei der zweiten Brücke sah ich dann, dass der sonst schnellere Nordkurs bei anderen Booten nicht klappte und wechselte auf die Südseite, um dann mit einem längeren Steuerbordschlag einiges gut zu machen. Erstes Ergebnis: Schnellstes Boot meiner Klasse auf dieser kurzen Passage! Endlich eine richtige Entscheidung ;-) Doch es kam noch besser. Nach dem Motto „Steig direkt wieder aufs Pferd, wenn es dich geworfen hat“ habe ich den Gennaker für den langen Schlag nach Lyø wieder rausgeholt. Bei 85 Grad und 14-18kn Wind nicht ganz ohne, weshalb auch einige auf den Gennaker verzichteten. Aber es machte sich bezahlt. Der Trimm war perfekt, das Boot lag super und ich rutschte bei 8+ Knoten nur so übers Wasser, oft 1,5 bis 2kn schneller als alle um mich herum. Das Ergebnis: Wieder Streckenschnellster der Klasse auf dieser langen Passage, zu Platz 48 einen Rückstand von etwa 6sm aufgeholt und ein breites Grinsen im Gesicht!! Doch es drohte, dass ich ab Lyø wieder durchgereicht werde. Denn der Wind nahm deutlich ab und die Schlussstrecke bis Svendborg war Vorwindkurs. Da ich weder Spi noch Genua besitze, hatte ich hier keine Chance. Also wieder eine clevere Taktik… und damit ein neuer Fehler? Egal. Mein Gedanke, noch etwas unter Gennaker südlich von Lyø fahren (während das Feld nördlich von Lyø segelte), um östlich von Korshavn nach Svendborg wieder zum Feld zu stoßen. Nur warum fährt sonst so gut wie niemand diese Route? Ganz ging der Plan dann auch nicht auf. Durch den immer schwächeren Wind konnte ich den Gennakerkurs nicht bis nördlich Søby halten. Vor dem Wind mit dem Gennaker kreuzen brachte auch nichts und so stieg ich früher als geplant auf die SW-Fock um. Trotzdem war die Idee in Ordnung. Später zeigte sich, dass ich weniger Zeit und Plätze verloren hatte als eine andere Hanse, die mit gleichen Segeln nördlich Lyø gefahren ist. Und zum Schluss noch einmal etwas Glück, denn der Wind wurde immer schwächer, ich konnte mich aber noch bis ins Ziel retten und erreichte am Samstag um 14:32 Uhr Svenborg. Dies gelang nicht allen. Manche verbrachten bei Flaute und Gegenstrom eine weitere Nacht auf dem Wasser oder mussten Aufgeben; Kurz vor der Ziellinie…

Fazit: Die Silverrudder ist ein fantastisches Event! Kann ich nur jedem empfehlen. Schon die Tage davor sind ein Erlebnis; Die Stimmung, die Boote, dieses Jahr auch das Wetter und natürlich die Regatta selbst. Ich denke, nächstes Jahr bin ich wieder dabei. Anmeldung ist am 1. März 2020.

Hier noch die Fakten: T-Shirt bekommen! Platz 50 in der Klasse „Keelboats Large“, insgesamt Platz 150 von 315 Booten. Bei einer Zeit von 26 Std. 2 Min. und 26 Sek. Keine Schäden am Boot (und mir).

Und meine kleine Regattaanalyse: Der Durchschnitt-SOG war eigentlich ganz ordentlich. Bis auf die beiden Abschnitte mit den Fehlern war ich in den anderen acht Abschnitten unter den Top 40 und neben den beiden ersten Plätzen noch 2x auf dem 2. Platz. Schlecht war aber der VMG. Hier lag ich nur bei drei Abschnitten unter den Top 40. Zeigt, die optimale Höhe beim Kreuzen habe ich noch nicht gefunden. Das sieht man auch daran, dass ich mit 166 gesegelten Meilen eine der längsten Distanzen von allen zurückgelegt habe. Die alte Regattaleidenschaft ist aber geweckt und nächstes Jahr nehme ich sicher am einen oder anderen Event teil. Wann sind eigentlich die SCU-Regatta und Nordseewoche? ;-)

PS: Passend zum Event war die Rückfahrt am Sonntag von Svendborg bis zur Giselau-Schleuse ein Traum. Bester Sonnenschein, entspannter Wind aus Ost und ruhige See!

Text und Fotos: Henning Klawiter

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